Leserfrage: brauchen zu + Infinitiv

Nicht brauchen zu + Infinitiv

Im Deutschen wird die negative Form nicht brauchen zu + Infinitiv als Variante des Modalverbs müssen benützt.

Beispiel 1: nicht brauchen zu + Infinitiv
Sie braucht heute nicht zu arbeiten.
(=Sie muss heute nicht arbeiten.)

Beispiel 2: nicht brauchen zu + Infinitiv
Du brauchst morgen nicht zu kommen.
(=Du musst morgen nicht kommen.)

Beachte: Das Modalverb müssen wird natürlich ohne zu gebraucht.

Brauchen zu + Infinitiv => falsch!

Viele Deutschlerner schließen daraus, dass man diesen Satz auch ohne Negation bilden kann. Das ist aber leider nicht richtig. Der gleiche Satz mit brauchen zu ohne die Negation nicht ist ungrammatisch und (meist) ein Übersetzungsfehler.

Beispiel: brauchen zu + Infinitiv
**Sie braucht heute zu arbeiten.** => falsch! nicht möglich!

Brauchen + Infinitiv (ohne zu)  => falsch!

Ebenso falsch ist das Weglassen von zu  sowohl mit als auch ohne Negation falsch.

Beispiel: brauchen ohne zu
(1) **Sie braucht heute arbeiten.** => falsch! nicht möglich!
(2) **Sie braucht heute nicht arbeiten.** => falsch! nicht möglich!

Den Satz ohne zu, aber mit Negation (Satz 2) kann man in der Umgangssprache allerdings recht häufig hören. Standardsprachlich ist das aber wie gesagt falsch.

Deshalb gibt es den schlauen (Merk)spruch „Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen“, den man zumindest zu meiner Zeit ;) noch in der Schule gelernt hat.

Nur brauchen zu + Infinitiv

Die einzige Möglichkeit brauchen zu ohne Negation zu benützen, ist in Verbindung mit der Einschränkung „nur„.

Beispiel: nur brauchen zu + Infinitiv
Wenn du ein Problem hast, brauchst du mich nur anzurufen.
Er braucht sich nur zu entschuldigen, dann ist alles in Ordnung.
Du brauchst nur die Artikel und die unregelmäßigen Verben zu lernen, dann kannst du dein Deutsch deutlich verbessern. ;)

Wie bei der Negation gilt: Ohne die Einschränkung nur, ist der Satz ungrammatisch.

Mehr über das Verb brauchen: Das Verb brauchen

Welche Fragen meiner Leser ich schon beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Leserfrage: Wie heißt der Genitiv bei Wörtern , die auf -s enden?

Wieder mal eine Frage von einer Muttersprachlerin zur Form des Genitivs

Frage: „Hallo, wie funktioniert es [die Genitivendung] bei Fremdwörtern (Substantiven) auf -us wie Fokus, Turnus, Fundus usw.? Des Fokus/des Fokussen? Ich bin da unsicher. LG Johanna“

Antwort: Die Endung des Genitivs Singular (!) bei (deutschen) maskulinen und neutralen Substantiven ist -s bzw. -es.

Beispiel: Genitivendung -s/-es
Nominativ: der Stern, der Mann, das Kind
Genitiv: des Sterns, des Mannes. des Kindes

Wenn der Wortstamm schon auf -s endet, ist die Genitivendung immer -es

Beispiel: Genitivendung -es
Nominativ: das Haus. der Bus
Genitiv: des Hauses, des Busses*

*Die Verdoppelung von -s ist eine Besonderheit des Wortes „Bus“.

Bei den in der Frage oben erwähnten lateinischen Fremdwörtern, die schon auf -s enden, wird aber keine zusätzliche Endung hinzugefügt. Das liegt an der Endung -us (bei den Beispielen der Leserin).

Beispiel: Endung -us = keine Genitivendung
Nominativ: der Fokus, der Turnus, der Fundus
Genitiv: des Fokus, des Turnus, des Fundus

Das gilt aber auch für die zahlreichen ebenfalls aus dem Lateinischen stammenden Wörter mit der Endung -mus.

Beispiel: Endung -mus = keine Genitivendung
Nominativ: der Sozialismus, der Kapitalismus, der Materialismus
Genitiv: des Sozialismus, des Kapitalismus, des Materialismus

Zur Endung des Genitivs siehe auch ausführlich: Die Form des Genitivs

Der Genitiv erhält auch nicht generell einen Apostroph bei der Endung -s, wie ein anderer Leser meint, denn ein Apostroph wird beim Genitiv nur dann hinzugefügt, wenn ein Name mit einem s-Laut endet.

Beispiel: Genitiv bei Namen
Klaus‘ Vater
Max‘ Geburtstag

Zum Genitiv bei Namen siehe ausführlich: Der Genitiv bei Namen

Ich persönlich würde in diesen Fällen aber den Genitiv vermeiden und durch die Präposition von ersetzen.

Beispiel: Genitiv bei Personennamen
Der Vater von Klaus
Der Geburtstag von Max

 

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Gesprochenes Deutsch: ich habe vs ich hab‘

Umgangssprache ist die Form der Sprache, die in der alltäglichen Kommunikation benutzt wird. Die meisten Unterschiede zwischen Umgangssprache und Standardsprache gibt es im Bereich Wortschatz, aber auch in der Grammatik kann man in der Umgangssprache Regelmäßigkeiten beobachten, die von der Standardsprache abweichen. Meist ist die Abweichung vom Standard aber nicht besonders groß.

Weglassen der Endung -e bei der 1. Person

Ein typisches Beispiel für eine umgangssprachliche Grammatikform ist das Weglassen der Endung -e bei der ersten Person des Verbs.

Beispiel:
Standardsprache: ich habe
Umgangssprache. ich hab‘

Weitere Beispiele: umgangssprachliches Weglassen des -e in der 1.Person Präsens
Ich komm‘.
Ich geh‘.
Ich fahr‘
Ich les‘.

Das Weglassen des -e erfolgt nicht nur beim Präsens, sondern auch bei der Bildung anderer Verbformen, z. B. bei der Formbildung mit den Hilfsverben haben und werden wie beim Perfekt, beim Futur oder beim Passiv.

Beispiele:
Perfekt: Ich hab‘ gesagt.
Futur I: Ich werd‘ mal fragen.
Passiv: ich werd‘ abgeholt.

Weil in Position 0

Ein zweites Beispiel für eine typische umgangssprachliche Abweichung von der Standardsprache/Schriftsprache ist die umgangssprachliche Position des Verbs in Kausalsätzen mit weil.

In der Umgangssprache wird das Verb häufig nicht ans Ende gesetzt, sondern in die Position eines Aussagesatzes mit einem Verbindungswort in Position 0. Dies passiert häufig, wenn der Sprecher eine (kleine) Sprechpause einlegt, weil er/sei vielleicht noch die (genaue) Begründung überlegen muss.

Beispiel: Verbposition weil – standardsprachlich vs. umgangssprachlich
standardsprachlich: Ich kann heute nicht zu dir kommen, weil ich zum Zahnarzt gehen muss.
umgangssprachlich: Ich kann heute nicht zu dir kommen, weil -[kleine Sprechpause]- ich muss zum Zahnarzt gehen.

Umgangssprachlichen Besonderheiten werden von Deutschlernern oft missverstanden. Sie denken, dass die Muttersprachler einen Grammatikfehler machen. Das ist aber (meist) nicht der Fall. Im Gegenteil: Die meisten Muttersprachler wissen, dass es zwei verschiedene Formen gibt und wann sie welche Form benützen müssen/können. Denn Umgangssprache vs. Schriftsprache/Standardsprache ist keine Frage von richtig oder falsch, sondern der Anwendung in der passenden Situation.