Was ist der Unterschied zwischen einem Hauptsatz und einem Nebensatz?

Woran erkennt man einen Hauptsatz bzw. einen Nebensatz?

Das Unterscheidungsmerkmal, an dem man einen Haupt- bzw. Nebensatz am leichtesten erkennen kann, ist die Position des Verbs.

Die vereinfachte Regel

Um die Sache einfach zu machen, wird die Stellungsregel für das Verb häufig ungefähr so formuliert. „Beim Hauptsatz steht das Verb an zweiter Stelle. Beim Nebensatz steht das Verb am Ende des Satzes.“

Grundsätzlich ist das nicht unbedingt falsch oder sollte ich sagen „ungefähr richtig“ ;), aber gerade im Fremdsprachenunterricht muss man aufpassen, dass eine solche Formulierung nicht zu Missverständnissen führt.

Nehmen wir ein Beispiel zur Kontrolle der Regel.

Beispiel: Hauptsatz
Mein Vater kauft ein neues Auto.
Verb: kaufen
Position 2

Also alles im grünen Bereich. ;)

Das Verb vs. ein Teil des Verbs

Was ist aber mit den folgenden Sätzen? Wo steht in diesen Sätzen das Verb?

Beispiel: Hauptsätze
Mein Vater hat ein neues Auto gekauft.
Mein Vater wird ein neues Auto kaufen.
Mein Vater will ein neues Auto kaufen.

Hier ist das Problem, dass das Verb aus mehreren Teilen besteht. Wer die oben formulierte (vereinfachte) Regel aber wörtlich nimmt, der könnte durchaus auf die Idee kommen, dass das (Voll)verb („kaufen“) in diesen Sätzen am Ende des Satzes steht.

Das ist zwar richtig, aber ein Teil des Verbs z. B. das Hilfsverb („hat“, „wird“) oder das Modalverb („will“) steht ja tatsächlich in Position 2.

Beispiel: Hauptsätze
Mein Vater hat ein neues Auto gekauft.
Verbteil: hat -> Position 2
Mein Vater wird ein neues Auto kaufen.
Verbteil: wird-> Position 2
Mein Vater will ein neues Auto kaufen.
Verbteil: will-> Position 2

Das heißt also erst mal, dass man in der Regel statt von Verb besser von „Verbteil“ bzw. „Teil des Verbs“ sprechen sollte.

Steht das Verb bzw. ein Teil des Verbs im Hauptsatz immer in Position 2?

Aber steht das Verb bzw. ein Teil des Verbs in Hauptsätzen immer in Position 2? Ich mache es kurz: Meistens ja, aber es gibt Ausnahmen wie z. B. Satzfragen („Ja/Nein-Fragen“) oder Aufforderungssätze (Imperative).

Siehe dazu auch: Das Verb in Position 1

Steht das Verb bzw. ein Teil des Verbs im Nebensatz immer am Ende?

Bleibt noch die Frage zu beantworten, ob dann wenigstens im Nebensatz das Verb immer am Ende steht.

Die Antwort auf diese Frage habe ich bereits hier gegeben: Steht im Nebensatz das Verb immer am Ende?

Und natürlich gibt es noch andere Unterscheidungsmerkmale von Haupt- und Nebensätzen, aber darüber werde ich vielleicht gelegentlich einen eigenen Beitrag schreiben. ..

Steht im Nebensatz das Verb immer am Ende?

Kaum hat man eine Grammatikregel formuliert, schon findet ein interessierter Lerner/eine interessierte Lernerin ein Beispiel, das dieser Regel widerspricht. Wer Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, dem dürfte das irgendwie bekannt vorkommen. ;)

So auch bei der Frage, ob das Verb im Nebensatz immer am Ende des Satzes steht. Wer nach der in meiner Überschrift formulierten Frage googelt, der wird auf jeden Fall eine eindeutige Antwort finden, denn bei allen Treffern steht – gerne auch fett gedruckt: „Im Nebensatz steht das Verb immer am Ende.“

Zumindest mit dem Wörtchen immer sollte man bei Grammatikregeln erfahrungsgemäß aber eher vorsichtig umgehen. Im Unterricht für Anfänger kann man die Formulierung mit immer sicher erst mal als zulässige Vereinfachung ansehen. Fortgeschrittene Deutschlerner werden aber irgendwann auch auf die Ausnahmen von der scheinbar klaren Regel stoßen, denn diese gibt es tatsächlich.

Umgangssprachliche Verbzweitstellung im Nebensatz

Ich meine damit gar nicht (nur), wie man vermuten könnte, die in der Umgangssprache um sich greifende so genannte Verbzweitstellung, von der besonders die Konjunktion weil, aber auch z. B. obwohl betroffen sind.

Die Verbzweitstellung tritt in der gesprochenen Sprache besonders häufig nach einer kleinen Sprech-/Denkpause auf.

Beispiele: Verbzweitstellung* in Nebensätzen mit weil, obwohl
Ich kann heute Nachmittag nicht zu dir kommen, weil .. ich muss ins Fußballtraining.
Gehen wir nachher ins Kino? Obwohl .. ich habe gar kein Geld.

*Die Konjunktion steht hier in der Position 0.

Die umgangssprachliche Verbzweitstellung  könnte man ja schließlich noch als unkorrektes Deutsch abtun, aber wie ihr inzwischen richtig vermutet habt ;), gibt es auch standardsprachlich völlig korrekte Nebensätze, in denen das Verb nicht am Ende, sondern in Position 2 oder 1 steht.

Nebensätze mit Verbzweitstellung (Position 2)

Nebensätze mit Verbzweitstellung entstehen z. B. dann, wenn eine Konjunktion, die eine Verbendstellung erfordert, ganz oder teilweise entfallen kann. Das ist bei der Redewidergabe mit der Konjunktion dass und bei irrealen Vergleichssätzen mit als ob möglich.

Beispiel: Nebensätze mit Verbzweitstellung (dass entfällt) – Redewidergabe
Sie sagt, sie sei krank.
(-> Sie sagt, dass sie krank sei.)

Zur Redewiedergabe siehe: Die Indirekte Rede – Einführung

Umgangssprachlich entfällt bei Verben des Glaubens, Meinens, Denkens, etc ebenfalls häufig dass.

Beispiele:
Er meint, er ist der Größte.
(-> Er meint, dass er der Größte ist.)
Wir glauben, sie kommen morgen.
(-> Wir glauben, dass sie morgen kommen.)
Ich denke, es ist besser so.
(-> Ich denke, dass es so besser ist.)

Beispiele: Nebensätze mit Verbzweitstellung (ob entfällt)
Sie tut so, als wäre sie krank.
(-> Sie tut so, als ob sie krank wäre.)
Er tut so, als wäre er der Größte.
(-> Er tut so, als ob er der Größte wäre.)

Zu als ob siehe auch: Satzverbindung – als ob

Nebensätze mit Verberststellung (Position 1)

Die Stellung des Verbs in Position 1 (Verberststellung) ist bei Konditionalsätzen möglich, bei denen die Konjunktion wenn entfällt:

Beispiel: Konditionaler Nebensatz mit Verb in Position 1
Hätte ich Geld, würde ich vier Wochen Urlaub machen.
(-> Wenn ich Geld hätte, würde ich vier Wochen Urlaub machen.)
Würde man die Steuern erhöhen, würden sich viele Bürger beschweren.
(-> Wenn man die Steuern erhöhen würde, würden sich viele Bürger beschweren.)

Siehe auch: Konditionale Satzverbindung: wenn, falls, sofern, bei

Und wenn ich jetzt lange überlege, dann fallen mir vielleicht noch weitere Beispiele ein, bei denen das Verb im Nebensatz nicht am Ende steht.  ..

Kann man die Sätze in den Beispielen oben auf Grund der Verbstellung dann nicht einfach als Hauptsätze definieren? Das würde aber ignorieren, dass die Sätze oben alle abhängige Sätze sind, also ohne den dazugehörigen Hauptsatz keinen Sinn ergeben. Und Unabhängigkeit des Satzes ist neben der Verbstellung ein weiteres wichtiges Kriterium für die Unterscheidung von Haupt- und Nebensätzen.

Deshalb formuliere ich summa summarum die Regel für die Stellung des Verbs im Nebensatz lieber so: „Im Nebensatz steht das Verb normalerweise am Ende.“ ;)

Leserfrage: Ist der Konjunktiv mit „würde“ = Futur I/II oder Gegenwart/Vergangenheit? – Teil 2

.. [Fortsetzung von Teil 1: Leserfrage: Ist der Konjunktiv mit „würde“ = Futur I/II oder Gegenwart/Vergangenheit?]

Wie ist das nun mit dem Konjunktiv II Futur II?

Nehmen wir noch einmal den Beispielsatz aus dem ersten Teil dieses Beitrags, den ich als Konjunktiv II Futur I/Gegenwart bezeichnet habe.

Beispiel: Wunschsatz mit Konjunktiv II Futur I/Gegenwart
Ich würde gerne ein Eis essen.

Wie heißt dieser Satz im Futur II?

Beispiel: Wunschsatz mit Konjunktiv II Futur II
Ich würde gerne ein Eis gegessen haben.

Zugegeben dieser Satz klingt nicht besonders elegant. Aber überlegen wir zuerst wieder, was dieser Satz bedeutet.

Bedeutet dieser Satz, dass der Sprecher in irgendeiner fernen Zukunft mal gerne ein Eis gegessen haben würde? (Futur II!) Sicher nicht.

Es ist nicht ganz leicht zu verstehen, aber der Satz bedeute genau das Gleiche wie der Satz im Konjunktiv II Vergangenheit, nämlich, dass der Sprecher (in der Vergangenheit!) gerne ein Eis gegessen hätte.

Beispiel: Wunschsatz mit Konjunktiv II
Ich würde gerne ein Eis gegessen haben.
=Ich hätte gerne ein Eis gegessen.

Das heißt die Form ist Konjunktiv II Futur II, aber die Bedeutung/Funktion ist „Vergangenheit“. Also

Beispiel: Wunschsatz mit Konjunktiv II
Ich würde gerne ein Eis gegessen haben.
Form: Konjunktiv II Futur II
Bedeutung: Vergangenheit

Aus diesem Grund wird diese Konjunktiv II Form mit würde im Unterricht Deutsch als Fremdsprache als zweite Form des Konjunktivs II Vergangenheit behandelt.

Zumindest wenn sie überhaupt behandelt wird. ;) Häufig wird diese Form als schlechter Stil beschrieben. Das heißt aber nicht, dass man diese Form nicht bilden könnte. Und abgesehen davon findet man diese Form gar nicht mal so selten in verschiedenen Quellen. ..

Ich habe in der folgenden Tabelle alles, was ich im ersten und zweiten Teil dieses Beitrags gesagt habe, mal in einer Tabelle zusammengefasst:

ZeitKonjunktiv IIKonjunktiv II mit würde
Gegenwartich machteich würde machen
Vergangenheitich hätte gemachtich würde gemacht haben
(Futur I*)ich würde machen(wird als Gegenwart aufgefasst)
(Futur II**)ich würde gemacht haben(wird als Vergangenheit aufgefasst)

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Zu den Kapiteln Konjunktiv Aktiv und Konjunktiv Passiv:
Verbformen (III) – Der Konjunktiv Aktiv
Verbformen (IV) – Das Passiv