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Leserfrage: Wie heißt der Genitiv bei Wörtern , die auf -s enden?

Wieder mal eine Frage von einer Muttersprachlerin zur Form des Genitivs

Frage: „Hallo, wie funktioniert es [die Genitivendung] bei Fremdwörtern (Substantiven) auf -us wie Fokus, Turnus, Fundus usw.? Des Fokus/des Fokussen? Ich bin da unsicher. LG Johanna“

Antwort: Die Endung des Genitivs Singular (!) bei (deutschen) maskulinen und neutralen Substantiven ist -s bzw. -es.

Beispiel: Genitivendung -s/-es
Nominativ: der Stern, der Mann, das Kind
Genitiv: des Sterns, des Mannes. des Kindes

Wenn der Wortstamm schon auf -s endet, ist die Genitivendung immer -es

Beispiel: Genitivendung -es
Nominativ: das Haus. der Bus
Genitiv: des Hauses, des Busses*

*Die Verdoppelung von -s ist eine Besonderheit des Wortes „Bus“.

Bei den in der Frage oben erwähnten lateinischen Fremdwörtern, die schon auf -s enden, wird aber keine zusätzliche Endung hinzugefügt. Das liegt an der Endung -us (bei den Beispielen der Leserin).

Beispiel: Endung -us = keine Genitivendung
Nominativ: der Fokus, der Turnus, der Fundus
Genitiv: des Fokus, des Turnus, des Fundus

Das gilt aber auch für die zahlreichen ebenfalls aus dem Lateinischen stammenden Wörter mit der Endung -mus.

Beispiel: Endung -mus = keine Genitivendung
Nominativ: der Sozialismus, der Kapitalismus, der Materialismus
Genitiv: des Sozialismus, des Kapitalismus, des Materialismus

Zur Endung des Genitivs siehe auch ausführlich: Die Form des Genitivs

Der Genitiv erhält auch nicht generell einen Apostroph bei der Endung -s, wie ein anderer Leser meint, denn ein Apostroph wird beim Genitiv nur dann hinzugefügt, wenn ein Name mit einem s-Laut endet.

Beispiel: Genitiv bei Namen
Klaus‘ Vater
Max‘ Geburtstag

Zum Genitiv bei Namen siehe ausführlich: Der Genitiv bei Namen

Ich persönlich würde in diesen Fällen aber den Genitiv vermeiden und durch die Präposition von ersetzen.

Beispiel: Genitiv bei Personennamen
Der Vater von Klaus
Der Geburtstag von Max

 

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Gesprochenes Deutsch: ich habe vs ich hab‘

Umgangssprache ist die Form der Sprache, die in der alltäglichen Kommunikation benutzt wird. Die meisten Unterschiede zwischen Umgangssprache und Standardsprache gibt es im Bereich Wortschatz, aber auch in der Grammatik kann man in der Umgangssprache Regelmäßigkeiten beobachten, die von der Standardsprache abweichen. Meist ist die Abweichung vom Standard aber nicht besonders groß.

Weglassen der Endung -e bei der 1. Person

Ein typisches Beispiel für eine umgangssprachliche Grammatikform ist das Weglassen der Endung -e bei der ersten Person des Verbs.

Beispiel:
Standardsprache: ich habe
Umgangssprache. ich hab‘

Weitere Beispiele: umgangssprachliches Weglassen des -e in der 1.Person Präsens
Ich komm‘.
Ich geh‘.
Ich fahr‘
Ich les‘.

Das Weglassen des -e erfolgt nicht nur beim Präsens, sondern auch bei der Bildung anderer Verbformen, z. B. bei der Formbildung mit den Hilfsverben haben und werden wie beim Perfekt, beim Futur oder beim Passiv.

Beispiele:
Perfekt: Ich hab‘ gesagt.
Futur I: Ich werd‘ mal fragen.
Passiv: ich werd‘ abgeholt.

Weil in Position 0

Ein zweites Beispiel für eine typische umgangssprachliche Abweichung von der Standardsprache/Schriftsprache ist die umgangssprachliche Position des Verbs in Kausalsätzen mit weil.

In der Umgangssprache wird das Verb häufig nicht ans Ende gesetzt, sondern in die Position eines Aussagesatzes mit einem Verbindungswort in Position 0. Dies passiert häufig, wenn der Sprecher eine (kleine) Sprechpause einlegt, weil er/sei vielleicht noch die (genaue) Begründung überlegen muss.

Beispiel: Verbposition weil – standardsprachlich vs. umgangssprachlich
standardsprachlich: Ich kann heute nicht zu dir kommen, weil ich zum Zahnarzt gehen muss.
umgangssprachlich: Ich kann heute nicht zu dir kommen, weil -[kleine Sprechpause]- ich muss zum Zahnarzt gehen.

Umgangssprachlichen Besonderheiten werden von Deutschlernern oft missverstanden. Sie denken, dass die Muttersprachler einen Grammatikfehler machen. Das ist aber (meist) nicht der Fall. Im Gegenteil: Die meisten Muttersprachler wissen, dass es zwei verschiedene Formen gibt und wann sie welche Form benützen müssen/können. Denn Umgangssprache vs. Schriftsprache/Standardsprache ist keine Frage von richtig oder falsch, sondern der Anwendung in der passenden Situation.

Leserfrage: Warum steht das Modalverb mit zu?

In einem Kommentar hat mir Nadja die folgende Frage gestellt:

„Hallo! Ich habe eine Frage und zwar: „Ein Clip, in dem Michael Schumachers Skiunfall zu sehen sein soll.“ Wie kann ich jemandem erklären, wieso hier ein “zu” steht? Eigentlich gibt es hier ein Modalverb (sollen).“

Nadia wundert sich, warum in ihrem Beispielsatz ein Modalverb (sollen) und ein Infinitiv (sehen) mit „zu“ steht, denn normalerweise werden Modalverben nur mit Infinitiv benützt. So wie in diesem Beispiel:

Beispiel:
In einem Video-Clip kann man den Skiunfall von Michael Schumacher sehen.

Was Nadia nicht weiß oder übersehen hat, ist, dass “sein zu” hier eine so genannte Passiversatzform ist. Die Passiversatzform entspricht einem Passivsatz mit Modalverb. Ein vereinfachtes Beispiel:

Beispiel:
Passiversatz: Der Unfall ist zu sehen.
=Passiv: Der Unfall kann gesehen werden.
=Aktiv: Man kann den Unfall sehen.

Kompliziert wird die Sache hier dadurch dass man auch die Passiversatzform wiederum mit Modalverb benützen kann. Das würde dann einem Passivsatz mit zwei Modalverben, was zwar nicht gerade elegant ist, aber theoretisch möglich ist.

Beispiel:
Passiversatz mit Modalverb: Der Unfall soll zu sehen sein.
=Passiv mit zwei Modalverben: Der Unfall soll gesehen werden können.
=Aktiv: Man soll den Unfall sehen können.

Zusätzlich wird das Verständnis des Satzes dadurch erschwert, dass das Modalverb in diesem Beispiel auch noch subjektiv gebraucht wird. Das bedeutet, dass es sich hier (möglicherweise) nicht um eine Tatsache, sondern um eine Behauptung von irgendjemandem handelt.

Beispiel:
Passiversatz mit Modalverb: Der Unfall soll in dem Clip zu sehen sein.
Bedeutung: Jemand behauptet, dass der Unfall in dem Film zu sehen ist. (Aber der Sprecher ist sich nicht sicher, ob das stimmt. …)

Welche Fragen meiner Leser ich schon beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0