Leserfrage – Futur II von lassen

Frage:

Svenja Juli 30, 2012 um 15:21

Guten Tag

Ist folgender Satz grammatikalisch korrekt?

Sie wird sich bestimmt was einfallen gelassen haben.

Es geht, wie Sie oben beschreiben, um eine Vermutung über eine vergangene Handlung, nämlich die Wahl eines Geschenkes.

Herzlichen Dank!

Svenja

via Der Gebrauch des Futurs II — Deutsche Grammatik 2.0.

Antwort:

Guten Tag, Svenja, vielen Dank für deine Nachricht. Dein Beispielsatz enthält leider zwei kleinere Fehler. Welche das sind, erkläre ich dir gleich:

lassen = modalverbähnlich

Das Verb lassen gehört zu den Verben, die sich meist ähnlich wie ein Modalverb verhalten. (Ich habe diese deshalb als modalverbähnliche Verben bezeichnet.)

Die Formen von lassen werden meist wie bei den Modalverben gebildet. Das gilt auch für das Futur II aus deinem Beispiel.

Jetzt müsste man natürlich wissen, wie das Futur II der Modalverben gebildet wird. ;)

Das Futur II wird aus dem Perfekt abgeleitet. Wegen dieser Verwandtschaft mit dem Perfekt wird das Futur II gelegentlich auch als Futurperfekt bezeichnet.

Perfekt der Modalverben

Zur Erinnerung: Das Perfekt der Modalverben wird mit dem Hilfsverb haben und 2x Infinitiv gebildet.

Beispiel: Perfekt Modalverb
Präsens: Sie muss heute arbeiten
Perfekt: Sie hat gestern arbeiten müssen.

Perfekt von lassen

Entsprechend gilt das für das Verb lassen. Hier ist deshalb der erste Fehler von Svenja, denn das Perfekt von lassen wird in diesem Fall wie bei einem Modalverb mit 2x Infinitiv gebildet, nicht mit dem Partizip II (gelassen)

Beispiel: Perfekt lassen
Präsens: Sie lässt sich (et)was einfallen.
Perfekt: Sie hat sich (et)was einfallen lassen.

 Futur II der Modalverben

Das Futur II wird nun bekanntlich ;) aus dem Perfekt + Hilfsverb werden gebildet.

Beispiel: Futur II Modalverb
Perfekt: Sie hat gestern arbeiten müssen.
Futur II: Sie wird gestern haben arbeiten müssen.

Beachte: Beim Futur II  wird das Hilfsverb haben vor die beiden Infinitive gestellt.

Futur II von lassen

Entsprechend gilt das für das Verb lassen. Hier ist deshalb der zweite Fehler von Svenja: Das Hilfsverb haben steht nicht am Ende des Satzes, sondern vor den beiden Infinitiven.

Beispiel: Futur II  lassen
Perfekt: Sie hat sich (et)was einfallen lassen.
Futur II: Sie wird sich (et)was haben einfallen lassen.

 Futur II mit Modalverben besser vermeiden!

Dabei herrscht wegen der Komplexität der Form aber vielfach Unsicherheit. Die beste Strategie ist die Form einfach zu vermeiden. Und die Vermutung z. B. durch ein Adverb auszudrücken.

Beispiel: Vermutung durch Adverb ausgedrückt
Wahrscheinlich hat sie sich etwas einfallen lassen.

Leserfrage: dieses Jahres oder diesen Jahres?

Normalerweise beantworte ich hier im Blog interessante Leserfragen noch mal ausführlicher als in den Blogkommentaren. Aber in letzter Zeit bin ich leider nicht dazu gekommen, so dass sich ein paar Fragen angesammelt haben. Die erste will ich versuchen heute zu beantworten.

In einem Kommentar fragt Jens:

„Hi, ist es richtig zu sagen: seit Februar diesen Jahres bin ich Mitarbeiterin…..? Richtiger wäre doch: seit Februar dieses Jahres bin ich Mitarbeiterin…….,oder? Wie lautet die Begründung? MfG“

Jens ist offensichtlich deutscher Muttersprachler. Trotzdem ist er unsicher, welche Form hier die richtige ist. Das liegt vor allem daran, dass beide Formen sehr häufig verwendet werden.

Und wenn ihr die Frage „dieses Jahres oder diesen Jahres?“ bei Google eingebt, dann seht ihr in den Suchergebnissen, dass Jens mit seiner Unsicherheit nicht alleine ist, sondern dass diese Frage schon viele (tausend) Male gestellt wurde.

Scheinbar ist die Frage auch leicht zu beantworten, denn wenn ihr noch mal bei Google schaut, dann seht ihr, dass ihr bei den Suchergebnissen viele Seiten mit der Überschrift „beliebte Fehler“ oder „häufige Fehler“ findet.

Also muss doch eine von beiden Formen falsch sein. Und wenn man streng nach der Grammatiknorm geht, dann muss es auch tatsächlich „dieses Jahres“ heißen, denn wir haben hier einen Genitiv und das Demonstrativpronomen („dieser“) wird normalerweise wie der bestimmte Artikel dekliniert.

Beispiel: bestimmter Artikel/Demonstrativpronomen
bestimmter Artikel: seit Februar des Jahres
Demonstrativpronomen: seit Februar dieses Jahres

Aber sind dann alle, auch die vielen Schreibprofis, denen dieser „Fehler“ unterläuft, zu blöd, um die deutsche Grammatik richtig anzuwenden?

Natürlich nicht, denn Sie machen (sehr wahrscheinlich unbewusst) etwas, was ganz normal ist. Sie bilden die Form einfach analog zu anderen ähnlich klingenden Formen. Denn wenn man ein Adjektiv vor das Nomen mit der Zeitangabe („Jahr“) stellt, dann bekommt dieses Adjektiv tatsächlich die Endung -en.

Beispiel:
seit Februar letzten Jahres
ab Februar nächsten Jahres
ab März kommenden Jahres
seit April vergangenen Jahres

An diesem Beispiel kann man den Konflikt zwischen grammatischer Norm und dem (tatsächlichen, unbewussten) Gebrauch der Sprache erkennen. Die Grammatiknorm sagt, wie die Sprache sein s o l l – nur halten sich die Sprecher gelegentlich nicht daran.

Und wenn das viele Sprecher einer Sprache für lange Zeit tun, dann hat sich die Sprache irgendwann verändert. Das heißt in einigen Jahren wird man dann sehen, was sich durchgesetzt hat: die grammatische Norm oder die Sprecher der deutschen Sprache….

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

DaF-Blog: Grammatikseiten überarbeitet

Cornelia vom DaF-Blog hat ihre Grammatikseiten überarbeitet. Die Kurz-Grammatik richtet sich schwerpunktmäßig an Deutschlerner bis zum Niveau B1 des Europäischen Referenzrahmens.

Deshalb beschränkt sie sich auf die wichtigsten Strukturen. Dafür gibt es die Erklärungen aber auch in englischer Übersetzung. Wer also eine deutsche Online-Grammatik (für Anfänger) mit englischen Übersetzungen sucht, ist bei Cornelia genau richtig:

Grammatik für DaF und DaZ

Mehr zum Hintergrund ihrer Grammatik erklärt Cornelia auch im Daf-Blog:

DaF-Blog – „Grammatikseiten überarbeitet“