Leserfrage: Woher kommt die Endung -e bei „zu Hause“ bzw. „nach Hause“?

Der Dativ hat normalerweise keine Endung

Die Präpositionen zu und nach sind Präpositionen, nach denen immer der Dativ steht. Da der Dativ normalerweise im Singular keine Endung hat, fragen sich viele Deutschlerner, woher die Endung -e bei den Ortsangaben „zu Hause“ bzw. „nach Hause“ kommt.

Früher hatte der Dativ eine Endung

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Der Dativ Singular von maskulinen und neutralen Substantiven (wie z. B.: das Haus) hatte früher die Endung -e.

Mit der Zeit hat der Dativ Singular diese Endung einfach verloren, sodass heute die meisten bzw. alle Substantive keine Dativendung im Singular mehr haben. (Der Dativ Plural hat bekanntlich die Endung -en, aber das ist ja hier nicht mein Thema.)

Die Endung -e hat sich nur in einigen feststehenden Ausdrücken erhalten. Die bekanntesten davon sind eben „zu Hause“ oder „nach Hause“. Recht häufig kommt z.B. auch „im Jahr(e)“ vor, wobei man hier das -e auch weglassen kann.

Weitere Beispiele für Dativ mit -e

Fortgeschrittene Deutschlerner werden immer mal wieder auf weitere Dative mit -e stoßen. Bei denen mehr oder weniger oft ein -e am Ende steht, denn gelegentlich werden einige dieser Ausdrücke (wie „im Jahr(e)“) auch ohne -e benützt. Viele dieser Ausdrücke haben eine übertragene (metaphorische) Bedeutung.

Beispiele:
zu Berge stehen: Wenn ich das sehe, dann stehen mir die Haare zu Berge.
im Buch(e) stehen: Er ist ein Playboy wie er im Buch(e) steht.
im Zug(e): Diese Regelung wurde im Zug(e) der Steuerreform abgeschafft.
auf diesem Weg(e): Deshalb möchte ich Ihnen auf diesem Weg(e) recht herzlich danken.
im Gang(e) sein: Die Verhandlungen über den Friedensvertrag sind im Gang(e).
am Fuß(e): Die Stadt liegt am Fuß(e) eines Berges.
zu Tode kommen: Vier Personen sind bei einem schweren Unfall auf der Autobahn A1 zu Tode gekommen.
jdn. zu Grab(e) tragen: Er wurde mit militärischen Ehren zu Grab(e) getragen.

Wo z. B. noch ein Dativ- e vorkommen kann, zeigt diese Übersicht des Instituts für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim:

Anteil der e-Dative an allen Dativen in 100 ausgewählten Wortverbindungen

Mehr Leserfragen

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Leserfrage: „Kann sich ein Relativsatz auf ein Personalpronomen beziehen?“

Die Frage

Ein Deutschlerner oder eine Deutschlernerin, der/die sich mit anspruchsvoller deutscher Literatur beschäftigt, hat mir folgende Frage gestellt (s.: hier):

Hallo Herr Mattmüller,
ich lese gerade den Roman Auslöschung vom Thomas Bernhard (TB). Für mich ist es Faszination aber zugleich ein Kampf.
TB benutzte an mehreren Stellen “der” so, dass ich nicht verstehen konnte. Hier ist ein Beispiel:
So wie den bösen Geist in die Bücherkästen, hatten sie mich, der ich in ihren Augen ein ebenso böser Geist gewesen bin, einsperren wollen in Wolfsegg. (S. 151, Z.4).
Schöne Grüße,
Hoang

Es geht also um den Gebrauch von der in diesem Beispiel:

Beispiel:
„So wie den bösen Geist in die Bücherkästen, hatten sie mich, der ich in ihren Augen ein ebenso böser Geist gewesen bin, einsperren wollen in Wolfsegg.“

Der wird hier als Relativpronomen verwendet und leitet einen etwas ungewöhnlich aussehenden Relativsatz ein, der sich nicht (wie meist) auf ein Nomen sondern auf ein Pronomen der ersten und zweiten Person bezieht: …. mich, der ich … . (s.o. im Beispiel)

Da sich das Relativpronomen normalerweise auf ein Nomen (Bezugswort), also eine 3. Person (!) bezieht, entsteht hier das Problem, dass man das Relativpronomen nicht – wie normal – aus dem Artikel des Bezugsworts ableiten kann.

Eine ziemlich komplizierte Konstruktion hat Hoang hier also entdeckt. Aber mit ein paar einfacheren Beispielen versteht man vielleicht besser, wie diese Konstruktion funktioniert.

Relativsatz mit Nomen als Bezugswort

Vergleichen wir zuerst mit einem normalen Relativsatz. Ein normaler Relativsatz entsteht aus zwei Sätzen mit einem identischen Nomen.

Beispiel: (normaler) Relativsatz bezieht sich auf ein Nomen
Mein Freund ist eigentlich ein guter Sportler. Mein Freund hat plötzlich Probleme mit der Kondition.
-> Mein Freund, der eigentlich ein guter Sportler ist, hat plötzlich Probleme mit der Kondition.

Das Relativpronomen der leitet sich aus dem Artikel des Bezugsortes ab.

Beispiel: Bezugswort = Freund
mein Freund – der (Freund)

Relativsatz mit Personalpronomen als Bezugswort

Bei einem Personalpronomen als Bezugswort fehlt die Möglichkeit das Relativpronomen aus dem Artikel abzuleiten. Personalpronomen haben keinen Artikel.

Deshalb wird in diesem Fall das Relativpronomen aus dem natürlichen Geschlecht (männlich bzw. weiblich) des Sprechers (1.Person = ich) bzw. des Angesprochenen (2.Person = du) abgeleitet und – wie ihr gleich sehen werdet – das Bezugspronomen nach dem Relativpronomen wiederholt.

Beispiele: Relativsatz bezieht sich auf ein Pronomen, Sprecher = männlich
Ich bin eigentlich ein guter Sportler. Ich habe plötzlich Probleme mit der Kondition.
-> Ich, der ich eigentlich ein guter Sportler bin, habe plötzlich Probleme mit der Kondition.

Beispiele: Relativsatz bezieht sich auf ein Pronomen, Sprecher = weiblich
Ich bin eigentlich eine gute Sportlerin. Ich habe plötzlich Probleme mit der Kondition.
-> Ich, die ich eigentlich eine gute Sportlerin bin, habe plötzlich Probleme mit der Kondition.

Weitere Beispiele: 2. Person = männlich
Du, der du eigentlich unsportlich bist, rennst plötzlich schneller als ich.
Du, dem ich so oft geholfen habe, lässt mich einfach im Stich.

Weitere Beispiele: 2. Person = weiblich
Du, die du eigentlich unsportlich bist, rennst plötzlich schneller als ich.
Du, der ich so oft geholfen habe, lässt mich einfach im Stich.

Kasus des Bezugspronomens

Und natürlich kann nicht nur das Relativpronomen, sondern auch das Bezugspronomen in allen Kasus stehen.

Weitere Beispiele: Relativsatz bezieht sich auf ein Pronomen
Der neue Kollege will mir, der ich schon zwanzig Jahre hier arbeite, erklären, wie das funktioniert.
Der Chef wollte mich, der ich schon zwanzig Jahre hier arbeite, einfach kündigen.

Mehr Leserfragen:

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Leserfrage: „Wo steht im Nebensatz das Verb?“

Regel für einteilige Verbformen

„Im Nebensatz steht das Verb am Ende“, diese vergleichsweise einfache Regel für die Verbposition im Nebensatz lernt man meist schon ziemlich früh im Deutschkurs. Was am Anfang einfach aussieht, wird mit der Zeit gelegentlich aber doch etwas schwieriger.

Das liegt nicht nur daran, dass man lernen muss, welche Konnektoren (Konjunktionen, Satzverbindungen) Nebensatz- bzw. Hauptsatzkonnektoren sind. Ein einfaches Beispiel sind die kausalen Konnektoren „weil“ (Nebensatz) bzw. „denn“ (Hauptsatz).

Beispiel: Haupt- vs. Nebensatzkonnektor
Nebensatz: Ich bleibe heute zu Hause, weil ich krank bin.
Hauptsatz: Ich bleibe heute zu Hause, denn ich bin krank.

Regel für mehrteilige Verbformen

Die Regel wird auch dadurch komplizierter, dass die Verbform häufig nicht nur aus einem Verb, sondern aus einem Verb plus einem (oder mehr) Hilfsverb(en) und evtl. einem Modalverb besteht.

Die Regel sagt dazu, dass bei mehrteiligen Verformen, der Verbteil ans Ende des Nebensatzes wandert, der im Hauptsatz in Position 2 gestanden hat.

Beispiel: zweiteilige Verbform
Hauptsatz: Der Arzt muss das Kind operieren.
Nebensatz: Er sagt, dass der Arzt das Kind operieren muss.

Beispiel: dreiteilige Verbform
Hauptsatz: Das Kind muss operiert werden.
Nebensatz: Er sagt, dass das Kind operiert werden muss.

Die Ausnahme von der Regel

Und wie die meisten Regeln hat auch diese Regel leider eine Ausnahme. ;)

Um euch diese Ausnahme zu erklären, solltet ihr euch an die Bildung des Perfekts mit Modalverb erinnern.

Standardsprachlich wird das Perfekt bei den Modalverben mit dem Präsens des Hilfsverb haben, dem Infinitiv des Modalverbs (nicht mit dem Partizip II!) und dem Infinitiv des Vollverbs („zweimal Infinitiv“) gebildet.

Beispiel:
Präsens: Der Arzt muss das Kind operieren.
Perfekt: Der Arzt hat das Kind operieren müssen.

Der Infinitiv von müssen, der hier anstelle des Partizips II (gemusst) zur Perfektbildung verwendet wird, wird auch als Ersatzinfinitiv (=Ersatz für das Partizip II) bezeichnet. Siehe dazu: Die Konjugation der Modalverben: Perfekt

Und wenn in einer Verbform der Ersatzinfinitiv mit einem anderen Infinitiv zusammentrifft, lautet die Regel vereinfacht gesagt so:

„Das Hilfsverb steht immer vor den beiden Infinitiven“ – also auch im Nebensatz. (!)

Beispiel: Perfekt Aktiv
Hauptsatz: Der Arzt hat das Kind operieren müssen.
Nebensatz: Er sagt, dass der Arzt das Kind hat operieren müssen.

Das gilt auch für den Infinitiv Passiv.

Beispiel: Perfekt Passiv
Hauptsatz: Das Kind hat von dem Arzt operiert werden müssen.
Nebensatz: Er sagt, dass das Kind von dem Arzt hat operiert werden müssen.
(operiert werden = Infinitiv Passiv)

Selbstverständlich stammt diese Regel nicht von mir. ;) Wer an meinen Ausführungen zweifelt, kann das im Duden, Band 4, „Die Grammatik“, 8. Auflage auf den Seiten 472 – 476 bzw. unter den Nummern 679 – 687 nachlesen.

Übersichten über die Verbpositionen im Nebensatz findet ihr hier:

Übersicht Position zweiteiliger Verben im Nebensatz
Übersicht Position dreiteiliger Verben im Nebensatz

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0