Leserfrage: alle oder alles?

Einige Deutschlerner haben ein Problem mit der Unterscheidung von alle/alles, manche/manches, einige/einiges, etc.

Artikelwort oder Indefinitpronomen

Das Problem ist, dass man zwischen den Artikelwörtern alle (manche, einige, viele, etc.) und den Indefinitpronomen alles (nichts, etwas, manches, einiges, vieles, etc.) unterscheiden muss.

Beispiele:
Artikelwort – Indefinitpronomen
alle – alles
manche – manches
einige – einiges

Alle = Artikelwort

Alle als Artikelwort steht im Plural (ebenso: manche, einige, viele, …).

Beispiele: alle = Plural
alle Leute
alle Kinder
alle Bücher

Wenn das Artikelwort alle und sein dazugehöriges Nomen im Nominativ stehen, steht das Verb natürlich im Plural.

Beispiele:
(Fast) alle Leute in Deutschland reisen gern.
(Fast) alle Kinder lieben Schokolade.

Das gilt auch, wenn das Artikelwort pronominal, also ohne ein Nomen (Substantiv) verwendet wird.

Beispiel:
Artikelwort + Nomen: Alle Leute lieben Schokolade.
Artikelwort pronominal: Alle lieben Schokolade.

Weitere Beispiele: alle = pronominal
Nominativ: Alle (manche, einige, viele, …) waren da.
Akkusativ: Ich habe alle (manche, einige, viele, …) gesehen.
Dativ: Ich habe mit allen (manchen, einigen, vielen, …) gesprochen.

Alles = Indefinitpronomen

Alles als Indefinitpronomen steht im Singular (vgl. nichts, etwas, manches, einiges). Entsprechend steht das Verb natürlich im Singular, wenn das Indefinitpronomen im Nominativ steht:

Beispiele:
Nominativ: Alles (nichts, etwas, manches, einiges) wird gut.
Akkusativ: Wir haben alles (nichts, etwas, manches, einiges) gemacht.
Dativ: Ich rechne mit allem (nichts, etwas, manchem, einigem).

Alle vs. alles

Besonders schwer fällt die Unterscheidung von alle (pronominal) und alles, wenn sie in gleicher Funktion in einem Satz stehen (können).

Beispiel: alle vs. alles
Artikelwort pronominal: Ich habe alle gesehen.
Indefinitpronomen: Ich habe alles gesehen.

Da alle als Pronomen („anstelle eines Nomens“!) fungiert, kann man aus dem Kontext verstehen, was genau der Sprecher gesehen hat, während beim Indefinitpronomen das Gesehene unbestimmt bleibt („indefinit“).

Beispiel: Bedeutung alle (pronominal)
„Kennst du die Filme von Charlie Chaplin?“ – „Ja, natürlich. Ich habe alle (Filme von Charlie Chaplin!) gesehen.“

Beispiel: Bedeutung alles (Indefinitpronomen)
„Was hast du in Paris gesehen?“ – Ich habe alles gesehen.
(Aus der Antwort geht nicht hervor, was genau die Person gesehen hat. Das Gesehene ist unbestimmt.

Deutsche Grammatik 2.0 zum Thema alle:
All- bzw. alle – Gebrauch als Artikelwort, Pronomen, Indefinitpronomen
Alle als Artikelwort – Deklination im Singular
Alle als Artikelwort – Deklination im Plural
Alle als Artikelwort – Deklination im Plural + Possessivpronomen + Adjektiv
Pronominaler Gebrauch des Artikelworts alle
Leserfrage: alle oder alles?

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Die häufigsten deutschen Verben (II)

Vor Kurzem habe ich hier in einem Blog-Beitrag geschrieben, welches die 30 häufigsten deutschen Verben sind. Wie ich zu der Liste gekommen bin, das habe ich dort auch erklärt.

Heute gibt es nun die Liste mit dem zweiten Teil der wichtigsten deutschen Verben. Bei diesen Verben merkt man schon deutlicher, dass die Wörter aus geschriebenen Texten stammen, denn Verben wie betonen oder berichten gehören in gesprochener Sprache sehr wahrscheinlich nicht zu den meist benutzten Verben. Dagegen dürfte möchten als Modalverb sicher eine steile Karriere hinlegen, wenn man mündliche Texte untersuchen würde.

Trotzdem habt ihr damit aber immer noch eine Liste mit Verben, die zumindest in geschriebenen Texten sehr wichtig sind. Da ich unter den Top 1000 Wörtern der deutschen Sprache insgesamt 78 Verben gefunden habe, umfasst die Liste die Plätze 31 bis 78.

Die häufigsten deutschen Verben (II): Platz 31 bis 78

31. scheinen
32. stellen
33. erwarten
34. führen
35. bekommen

36. meinen
37. erreichen
38. spielen
39. bestehen
40. bieten

41. gehören
42. setzen
43. möchten
44. leben
45. versuchen

46. arbeiten
47. berichten
48. beginnen
49. verlieren
50. sprechen

51. teilen
52. schaffen
53. handeln
54. entwickeln
55. erzählen

56. fordern
57. mögen
58. brauchen
59. planen
60. bedeuten

61. ziehen
62. rechnen
63. fallen
64. verlassen
65. ändern

66. laufen
67. wählen
68. gewinnen
69. betonen
70. suchen

71. entscheiden
72. tragen
73. übernehmen
74. verhindern
75. verkaufen

76. verwenden
77. helfen
78. bezeichnen

Systematische Liste

Im Gegensatz zu den Top 30 sind im zweiten Teil der Liste die regelmäßigen Verben (30) in der Überzahl, was ja aber auch zu erwarten war, da es insgesamt nicht so viele unregelmäßige Verben gibt und viele unregelmäßige Verben auch eher selten benutzt werden. Das gilt natürlich nicht für die 17 unregelmäßigen Verben, die es hier in diese Liste geschafft haben:

Modalverben: möchten

regelmäßige Verben: stellen, erwarten, führen, meinen, erreichen, spielen, gehören, setzen, leben, versuchen, arbeiten, berichten, teilen, schaffen, handeln, entwickeln, erzählen, fordern, brauchen, planen, bedeuten, rechnen, ändern, wählen, betonen, suchen, verhindern, verkaufen, verwenden, bezeichnen

unregelmäßige Verben: scheinen, bekommen, bestehen, bieten, beginnen, verlieren, sprechen, mögen, ziehen, fallen, verlassen, laufen, gewinnen, entscheiden, tragen, übernehmen, helfen

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Mehr Grammatiklisten: Listen zur deutschen Grammatik

Leserfrage: Adjektivendung bei zwei oder mehr Adjektivattributen

Leserfrage:

„Ich habe gelesen, dass bei mehreren Adjektivattributen vor dem Substantiv die einst gebrauchte Deklination nicht mehr gilt. Beispiel: bei warmem schönen Wetter (veraltet). Statt dessen gilt jetzt: bei warmem schönem Wetter. Was ist denn richtig?

Antwort:
Standardsprachlich ist in diesem Fall meines Wissens schon immer die doppelte Dativmarkierung, also “bei schönem warmem Wetter”. Aber die Variante “bei schönem warmen Wetter” kommt so häufig vor, dass sie auch akzeptiert wird.

Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass das “n” und das “m” phonetisch so eng verwandt sind und deshalb hier auch bei vielen Muttersprachlern die Unsicherheit so groß ist, dass sich eben zwei Varianten entwickeln.

Aber Achtung: Bei einem femininen Substantiv wäre das nicht möglich, hier geht nur die standardsprachliche Variante: “bei schöner warmer Witterung”. Aber hier würde wahrscheinlich auch niemand – zumindest kein Muttersprachler ;) – auf die Idee kommen dem zweiten Adjektiv eine andere Endung zu geben.

Vergleiche: Attribute – Einführung — Deutsche Grammatik 2.0.

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0