Anzeige

Leserfrage: Zeitformen der subjektiven Modalverben

Folgende Leserfrage hat mich vor kurzem via Facebook erreicht.

Leserfrage:

„hello! i have a problem with the perfect tense with modal verbs. Can you please explain why this is used with two ways. As an example : (1) „Er hat mir einen Brief schreiben können.“ / (2) „Er kann mir einen Brief geschrieben haben.“ What is the difference between these two sentences?

Antwort:
Eigentlich erstaunlich, dass man sich mit solch komplizierten Fragen der deutschen Grammatik beschäftigt, aber dann die Frage nicht auf Deutsch stellen kann ;-) – trotzdem aber eine interessante Frage.

Denn im Deutschunterricht wird zwar häufig über die Bedeutung der subjektiven Modalverben gesprochen, dass diese aber Tempusformen haben, die sich in der Vergangenheitsform von den objektiven Modalverben unterscheiden, wird eher selten problematisiert.

Denn genau dieses Problem hat meine Leserin: In ihrem ersten Satz steht die Perfektform des objektiven Modalverbs, während im zweiten Satz die Vergangenheitsform des subjektiven Modalverbs steht.

Aber zum Glück gibt’s ja die Deutsche Grammatik 2.0. ;-) Wie die Tempusformen der objektiven und subjektiven Modalverben im Vergleich aussehen, könnt hier nachschauen:

Subjektive Modalverben – Zeitformen

Welche Fragen meiner Leser ich schon beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Leserfrage: dieses Jahres oder diesen Jahres?

Normalerweise beantworte ich hier im Blog interessante Leserfragen noch mal ausführlicher als in den Blogkommentaren. Aber in letzter Zeit bin ich leider nicht dazu gekommen, so dass sich ein paar Fragen angesammelt haben. Die erste will ich versuchen heute zu beantworten.

In einem Kommentar fragt Jens:

„Hi, ist es richtig zu sagen: seit Februar diesen Jahres bin ich Mitarbeiterin…..? Richtiger wäre doch: seit Februar dieses Jahres bin ich Mitarbeiterin…….,oder? Wie lautet die Begründung? MfG“

Jens ist offensichtlich deutscher Muttersprachler. Trotzdem ist er unsicher, welche Form hier die richtige ist. Das liegt vor allem daran, dass beide Formen sehr häufig verwendet werden.

Und wenn ihr die Frage „dieses Jahres oder diesen Jahres?“ bei Google eingebt, dann seht ihr in den Suchergebnissen, dass Jens mit seiner Unsicherheit nicht alleine ist, sondern dass diese Frage schon viele (tausend) Male gestellt wurde.

Scheinbar ist die Frage auch leicht zu beantworten, denn wenn ihr noch mal bei Google schaut, dann seht ihr, dass ihr bei den Suchergebnissen viele Seiten mit der Überschrift „beliebte Fehler“ oder „häufige Fehler“ findet.

Also muss doch eine von beiden Formen falsch sein. Und wenn man streng nach der Grammatiknorm geht, dann muss es auch tatsächlich „dieses Jahres“ heißen, denn wir haben hier einen Genitiv und das Demonstrativpronomen („dieser“) wird normalerweise wie der bestimmte Artikel dekliniert.

Beispiel: bestimmter Artikel/Demonstrativpronomen
bestimmter Artikel: seit Februar des Jahres
Demonstrativpronomen: seit Februar dieses Jahres

Aber sind dann alle, auch die vielen Schreibprofis, denen dieser „Fehler“ unterläuft, zu blöd, um die deutsche Grammatik richtig anzuwenden?

Natürlich nicht, denn Sie machen (sehr wahrscheinlich unbewusst) etwas, was ganz normal ist. Sie bilden die Form einfach analog zu anderen ähnlich klingenden Formen. Denn wenn man ein Adjektiv vor das Nomen mit der Zeitangabe („Jahr“) stellt, dann bekommt dieses Adjektiv tatsächlich die Endung -en.

Beispiel:
seit Februar letzten Jahres
ab Februar nächsten Jahres
ab März kommenden Jahres
seit April vergangenen Jahres

An diesem Beispiel kann man den Konflikt zwischen grammatischer Norm und dem (tatsächlichen, unbewussten) Gebrauch der Sprache erkennen. Die Grammatiknorm sagt, wie die Sprache sein s o l l – nur halten sich die Sprecher gelegentlich nicht daran.

Und wenn das viele Sprecher einer Sprache für lange Zeit tun, dann hat sich die Sprache irgendwann verändert. Das heißt in einigen Jahren wird man dann sehen, was sich durchgesetzt hat: die grammatische Norm oder die Sprecher der deutschen Sprache….

Welche Fragen meiner Leser ich sonst noch beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

Leserfrage: Welche Zeitform ist „anzubauen seien“?

Wie ihr an der folgenden Email mit einer Leserfrage sehen könnt, wird meine Deutsche Grammatik 2.0 nicht nur von ausländischen Deutschlernern sondern auch von manchen Muttersprachlern gerne gelesen.

Was ihr an der Mail auch sehen könnt: Nicht nur Ausländer haben Fragen zur deutschen Grammatik, sondern auch Deutsche verstehen nicht immer, mit welchen Grammatikformen sie es zu tun haben und wie die Formen zusammenhängen.

Hier geht es um das Thema Passiversatzformen und Passiv mit Modalverb, das im fortgeschrittenen Deutschunterricht für Ausländer häufig vorkommt:

Die Leserfrage

>Hallo Herr Mattmüller…
>
>…ich habe heute Ihre Seite entdeckt.
>Ich bin zwar Deutsch-Muttersprachler, beschäftige mich aber gerne mit
>der deutschen Grammatik und Rechtschreibung (auch berufsbedingt). Ihr
>Seite ist da wirklich hilfreich, logisch gegliedert und leicht verständlich.
>
>Jetzt ist mir heute ein Problem untergekommen.
>Vielleicht wissen Sie ja Rat und möchten mir helfen.
>
>>So lautet der ursprüngliche Satz des Verfassers:
>Die Vergabe der Parzellen war an die Bedingung geknüpft, dass dort
>lebensnotwendiges Obst und Gemüse sowie Kartoffeln angebaut werden.
>
>Ich würde ihn gern dahingehend ändern:
>Die Vergabe der Parzellen war an die Bedingung geknüpft, dass dort
>lebensnotwendiges Obst und Gemüse sowie Kartoffeln anzubauen seien.
>
>>Welches von beiden ist korrekt?
>Um welche Zeitform handelt es sich hier eigentlich?
>Konjunktiv II in der Vergangenheit? [..].
>
>X. Y.

Meine Antwort:

Hallo Herr/Frau Y.,

vielen Dank für die positive Rückmeldung zu meiner Grammatikseite. Es freut mich, wenn die Seiten sogar Muttersprachlern hilfreich sein können. Zu Ihrer Frage: Zunächst mal kann man sagen, dass beide Formen grammatisch richtig sind. Wenn man in dem ersten Satz, der im Präsens Passiv steht, das Modalverb müssen ergänzt, wird die Verbindung der beiden Varianten deutlich:

(00) (Original:) Die Vergabe der Parzellen war an die Bedingung geknüpft, dass dort lebensnotwendiges Obst und Gemüse sowie Kartoffeln angebaut werden.

(01) Die Vergabe der Parzellen war an die Bedingung geknüpft, dass dort lebensnotwendiges Obst und Gemüse sowie Kartoffeln angebaut werden müssen.

(Dadurch würde man die verpflichtende Bedingung grammatisch noch mal betonen)

Ein Passiv mit Modalverb kann man durch eine Konstruktion mit sein + zu + Infinitiv umschreiben: (Das klingt dann „amtlicher“)

(02) Die Vergabe der Parzellen war an die Bedingung geknüpft, dass dort lebensnotwendiges Obst und Gemüse sowie Kartoffeln anzubauen sind.

Und aus „sind“ kann man jetzt noch „seien“ machen, da es sich um die Wiedergabe einer fremden Aussage (indirekte Rede) handelt. Die Form „seien“ ist Konjunktiv I Präsens:

(03) Die Vergabe der Parzellen war an die Bedingung geknüpft, dass dort lebensnotwendiges Obst und Gemüse sowie Kartoffeln anzubauen seien.

So hat man (mit dem Originalsatz) insgesamt vier verschiedene, grammatisch richtige Ausdrucksmöglichkeiten.

Viele Grüße

U.Mattmüller

Welche Fragen meiner Leser ich schon beantwortet habe, könnt ihr hier erfahren:

Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0