Leserfrage: „Wie heißen die Formen des Zustandspassivs mit Modalverb?“

Neulich hat mich wieder eine dieser Fragen erreicht, mit der sich manche Deutschlerner beschäftigen, die aber wahrscheinlich nur die wenigstens Muttersprachler auf Anhieb beantworten könnten. ;)

Die Frage lautet: „Wie heißen die (Zeit)Formen des Zustandspassivs mit Modalverb?“

Für alle, die das wirklich interessiert, will ich versuchen diese Frage zu klären.

Zustandspassiv

Vielleicht erinnert ihr euch: Als Zustandspassiv wird die Form sein + Partizip II bezeichnet.

Zustandspassiv = (Hilfsverb) sein + Partizip II

Beispiel: Zustandspassiv
Die Geschäfte sind nach 20.00 Uhr geschlossen.

Bei der Formbildung des Zustandspassivs wird das Hilfsverb sein konjugiert.

Beispiel: Konjugation Zustandspassiv
Präsens: Die Geschäfte sind geschlossen.
Präteritum: Die Geschäfte waren geschlossen.
Perfekt: Die Geschäfte sind geschlossen gewesen.
etc. ..

Zu den Zeitformen des Zustandspassivs siehe auch: Das Zustandspassiv

Zustandspassiv mit Modalverb

Und tatsächlich kann das Zustandspassiv auch mit einem Modalverb kombiniert werden. Dabei wird – wie beim Vorgangspassiv mit Modalverb – das Modalverb konjugiert und das Hilfsverb sein steht im Infinitiv.

Zustandspassiv + Modalverb = Modalverb + Partizip II + Infinitiv von sein

Beispiel: Zustandspassiv mit Modalverb
Die Geschäfte müssen geschlossen sein.

Wenn man den Beispielsatz etwas erweitert, dann klingt er auch ganz vernünftig.

Beispielsätze:
Präsens: Normalerweise müssen alle Geschäfte in Deutschland nach 20.00 Uhr geschlossen sein.
Präteritum: Früher mussten alle Geschäfte nach 18.30 Uhr geschlossen sein.

Zustandspassiv mit Modalverb: alle Zeitformen

Grundsätzlich kann man theoretisch alle Zeitformen des Zustandspassiv mit Modalverb bilden. Dabei muss man nur beim Passiv mit Modalverb (den Infinitiv des Hilfsverbs) werden durch (den Infinitiv des Hilfsverbs) sein ersetzen.

Beispiel: Präsens mit Modalverb
(Vorgangs)Passiv: Die Geschäfte müssen geschlossen werden.
Zustandspassiv: Die Geschäfte müssen geschlossen sein.

Alle Formen des Zustandspassivs mit Modalverb lauten dann:

Präsens: Die Geschäfte müssen geschlossen sein
Präteritum: Die Geschäfte mussten geschlossen sein
Perfekt: Die Geschäfte haben geschlossen sein müssen
Plusquamperfekt: Die Geschäfte hatten geschlossen sein müssen
Futur I: Die Geschäfte werden geschlossen sein müssen
Futur II: Die Geschäfte werden haben geschlossen sein müssen*

*Bevor ihr die Formbildung des Futurs II kommentiert, bitte die folgende Artikelserie durcharbeiten ;): Wie heißt denn nun das Futur 2 (mit Modalverb)?

Nach meiner persönlichen Meinung gehören diese Formen definitiv nicht zu dem, was ein Deutschlerner wirklich wissen müsste.

Die Präsens- und die Präteritumform kommen aber auf jeden Fall gelegentlich vor, wie ihr an meinem Beispiel, das man doch ganz gut verstehen müsste, hoffentlich sehen könnt.

Mindestens die Futur-II-Form mit Modalverb würde ich aber ganz schnell wieder vergessen, denn die wird wohl auch kaum ein Muttersprachler bilden können.

Aber wie gesagt, theoretisch kann man auch diese Form bilden.

Mehr zum Thema Zustandspassiv siehe im Kapitel: Das Passiv

Mehr Antworten auf Leserfragen findet ihr hier: Leserfragen – Deutsche Grammatik 2.0

„Was ist der Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ?“

Die Frage nach dem Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ wird von Deutschlernern recht häufig gestellt.

Dass es sich um unterschiedliche Formen eines Substantivs handelt, ist  dabei normalerweise klar.

Beispiel: (der) Mann => Dativ/Akkusativ
Dativ: dem Mann
Akkusativ: den Mann

Die Frage zielt vielmehr darauf, warum in einem bestimmten Satz der Dativ und in einem anderen Satz der Akkusativ steht.

Warum steht der Akkusativ bzw. der Dativ?

Im Prinzip ist es eigentlich ganz einfach: Die Wahl des Kasus, also von Akkusativ bzw. Dativ, ist  von anderen Wortarten abhängig.

Verben, Substantive, Adjektive und Präpositionen können einen Kasus „regieren“. Das heißt, diese Wortarten bestimmen, welchen Kasus sie als Ergänzung brauchen.

Auf der Seite Der Kasus – Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv habe ich ausführlicher erklärt, wozu jeder Kasus verwendet wird.

Ich greife hier aber noch mal jeweils zwei Beispiele heraus, um zu zeigen, was es bedeutet, dass der Kasus von anderen Wortarten abhängig ist. Dort steht:

Der Akkusativ wird z. B. verwendet

  • als zweite Verbergänzung: Ich besuche meine Mutter.
  • bei Verb mit fester Präposition: Ich warte auf den Bus.

Der Dativ wird z. B. verwendet als:

  • als zweite Verbergänzung: Ich helfe meiner Mutter.
  • bei Verb mit fester Präposition: Ich fürchte mich vor der Operation.

Wenn man sich das genauer ansieht, dann sieht man vielleicht auch schon, wo das Problem ist, denn sowohl Akkusativ als auch Dativ können zum gleichen Zweck verwendet werden.

Beispiel zweite Verbergänzung

Nehmen wir zum Beispiel die Verwendung als zweite Verbergänzung. Vergleicht einmal diese Sätze von oben:

Beispiel: zweite Verbergänzung
Akkusativ: Ich besuche meine Mutter.
Dativ: Ich helfe meiner Mutter.

Eigentlich haben die Sätze doch die gleiche Struktur, die man ungefähr so beschreiben könnte:

Ergänzung (Person) 1 – Verb – Ergänzung (Person) 2

Trotzdem steht im ersten Satz der Akkusativ, im zweiten aber der Dativ. Eine logische Erklärung gibt es dafür nicht.

Es ist tatsächlich so, dass die Wahl des Kasus in unseren beiden Beispielen vom Verb abhängig ist. Das heißt, ihr müsst Folgendes lernen:

Beispiel: Kasus für zweite Verbergänzung
besuchen + Akkusativ
helfen + Dativ

Beispiel Verben mit Präposition

Dasselbe Problem könnt ihr bei den Verben mit Präposition beobachten.

Beispiel: Verb mit fester (Wechsel)Präposition
Akkusativ: Ich warte auf den Bus.
Dativ: Ich fürchte mich vor der Operation.

Auch diese Sätze haben die gleiche Struktur: Ergänzung (Person) 1 – Verb + feste (Wechsel)Präposition – Ergänzung (Sache) 2

Hier haben wir zwei Wechselpräposition (auf, vor), aber nach auf steht der Akkusativ, nach vor der Dativ.

In diesem Fall ist die Wahl des Kasus von der Kombination Verb + Präposition abhängig. Das heißt ihr müsst lernen:

Beispiel: Kasus für Verb + Wechselpräposition
warten auf + Akkusativ
fürchten vor + Dativ

Ihr ahnt es schon, eine logische Begründung gibt es auch dafür nicht.

Zusammenfassung

Ich könnte jetzt noch weitere Beispiele anfügen, aber ich wiederhole einfach noch mal den wichtigsten Satz von oben: Die Wahl des Kasus, also von Akkusativ bzw. Dativ, ist  von anderen Wortarten (Verben, Substantiven, Adjektiven, Präpositionen) abhängig.

Eine Übersicht zum Gebrauch von Akkusativ bzw. Dativ findet ihr wie gesagt hier:

Der Kasus – Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv

Schwache/starke vs. regelmäßige/unregelmäßige Verben

In deutschen Grammatiken werden Verben meist entweder als regelmäßige bzw. unregelmäßige  oder als schwache bzw. starke Verben bezeichnet.

Manche Deutschlerner fragen sich deshalb, ob die Bezeichungen die gleiche Bedeutung haben, also schwach = regelmäßig bzw. stark = unregelmäßig.

Die schnelle Antwort auf diese Frage lautet: Jein. :) Lest hier warum:

Schwache vs. starke Verben

Die Begriffe schwache bzw. starke Verben stammen aus der germanistischen Sprachwissenschaft. Sie beziehen sich auf die Veränderbarkeit des Stammvokals in den Stammformen der Verben.

Schwache Verben sind demnach Verben, die den Stammvokal bei der Bildung der Stammformen (und deshalb auch bei allen anderen Verbformen) nicht verändern.

Beispiel: Stammformen von machen
Infinitiv: machen
Präteritum: machte
Partizip II: gemacht
(Der Stammvokal a ändert sich nicht. => schwaches Verb)

Starke Verben sind Verben, die den Stammvokal ändern (können).

Beispiel: Stammformen von helfen
Infinitiv: helfen
Präteritum: half
Partizip II: geholfen
(Der Stammvokal ändert sich: e – a – o. => starkes Verb)

(Die Stammveränderung der starken Verben bezeichnet man sprachwissenschaftlich übrigens als Ablaut.)

Sind starke Verben regelmäßig oder unregelmäßig?

Schwache Verben gehören auf jeden Fall zu den regelmäßigen Verben. In der Sprachwissenschaft teilweise umstritten ist aber, ob manche starken Verben zu den regelmäßigen oder zu den unregelmäßigen Verben gehören.

Das liegt daran, dass man bei manchen starken Verben zwar eine Veränderung des Stammvokals hat, diese Veränderung aber durchaus Regelmäßigkeiten erkennen lässt.

Zum Beispiel ändern starke Verben mit dem Doppelvokal -ei- im Stamm den Stammvokal nach folgendem Muster: ei – ie – ie.

Beispiel: Stammformen ei – ie – ie bei unregelmäßigen Verben
bleiben – blieb – geblieben
schreiben – schrieb – geschrieben
steigen – stieg – gestiegen
usw.

Diese systematische (regelmäßige!) Veränderung des Stammvokals bei starken Verben bezeichnet man als Ablautreihe. Und davon gibt es bei den unregelmäßigen Verben einige. Siehe z. B. hier: Unregelmäßige Verben – Ablautreihen

Und auf Grund dieser Ablautreihen betrachten manche Sprachwissenschaftler Verben, die zu einer Ablautreihe gehören als regelmäßige Verben.

Nach dieser Interpretation sind nur ganz unregelmäßige Verb wie z. B. das Verb sein „echte“ unregelmäßige Verben.

Beispiel: Stammformen von sein
Infinitiv: sein
Präteritum: war
Partizip II: gewesen
(Keine Regelmäßigkeit erkennbar, weil kein anderes Verb die Stammformen nach dem gleichen Muster ändert.)

Im Unterricht Deutsch als Fremdsprache

Im Unterricht für Deutsch als Fremdsprache werden die Begriffe schwach/stark vs. regelmäßig/unregelmäßig aber häufig tatsächlich synonym (gleichbedeutend) verwendet, indem man alle starken Verben zu den unregelmäßigen Verben zählt.

Noch gebräuchlicher ist aber die Unterscheidung von drei Verbgruppen, nämlich regelmäßigen, unregelmäßigen und gemischten Verben.

Ein dritte Gruppe von Verben braucht man, um die Regelmäßigkeit der Präteritumendung und der Partizip-II-Bildung bei einigen starken Verben zu erklären.

Denn gemischte Verben ändern den Stammvokal, haben aber die regelmäßige Endung im Präteritum (-te) und das Partizip II wird ebenfalls regelmäßig gebildet (ge .. -t)

Beispiel:
regelmäßig: machen – machte – gemacht
unregelmäßig: helfen – half – geholfen
gemischt: bringen – brachtegebrach

Zur Konjugation von regelmäßigen, unregelmäßigen und gemischten Verben siehe:

Die Konjugation: Präteritum – Übersicht – Deutsche Grammatik 2.0
Die Konjugation: Perfekt (Übersicht) – Deutsche Grammatik 2.0